Als bei Frau M. die Mutter an einer fortschreitenden Demenz erkrankte, entschied sich die Familie dafür, sie zuhause zu pflegen. Sie beantragten Pflegegeld und hofften, damit die Betreuung finanzieren zu können. Anfangs lief alles gut: Die Mutter konnte in ihrer vertrauten Umgebung bleiben, und die regelmäßige Zahlung des Pflegegelds half bei den Ausgaben. Doch mit der Zeit stieß Frau M. an Grenzen. Die Pflege wurde körperlich und emotional sehr anstrengend, und trotz Pflegegeld reichte das Geld hinten und vorne nicht für zusätzliche Hilfe oder Hilfsmittel. Frau M. schlief kaum noch, weil sie rund um die Uhr für die Mutter da sein musste. Schließlich fragte sie sich verzweifelt: Haben wir die Nachteile des Pflegegeldes unterschätzt?
Viele Familien in Deutschland stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Tatsächlich werden über 85 % aller Pflegebedürftigen hierzulande zu Hause versorgt – der Großteil davon ausschließlich durch Angehörige (Destatis). Das Pflegegeld ist dabei eine wichtige Hilfe, denn es honoriert die häusliche Pflege und soll die Versorgung daheim unterstützen. Doch neben den Vorteilen gibt es auch etliche Nachteile und Fallstricke beim Pflegegeld, die man unbedingt kennen sollte. Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten Nachteile des Pflegegelds und zeigen, wie Sie damit umgehen oder sie ausgleichen können.
Was ist das Pflegegeld?
Das Pflegegeld ist eine monatliche Leistung der Pflegeversicherung, die direkt an pflegebedürftige Menschen ausgezahlt wird (Bundesgesundheitsministerium). Anspruch darauf haben alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2, wenn sie zu Hause von Angehörigen, Freunden oder anderen ehrenamtlichen Pflegepersonen versorgt werden und keinen ambulanten Pflegedienst in vollem Umfang nutzen. Entscheidet sich eine Familie also dafür, die Pflege selbst zu übernehmen, erhält die pflegebedürftige Person je nach Pflegegrad einen festen Geldbetrag zur freien Verfügung überwiesen. Dieses Geld kann sie an die pflegenden Angehörigen weitergeben – als finanzielle Anerkennung für deren Einsatz – oder für notwendige Hilfen im Alltag einsetzen.
Die Höhe des Pflegegelds richtet sich nach dem Pflegegrad. Im Jahr 2025 beträgt das Pflegegeld beispielsweise 347 € pro Monat bei Pflegegrad 2 und steigt bis auf 990 € pro Monat bei Pflegegrad 5 an (Allgäuer Zeitung). Pflegebedürftige des Pflegegrads 1 erhalten kein Pflegegeld. Wichtig zu wissen: Sobald ein ambulanter Pflegedienst in größerem Umfang tätig wird (sogenannte Pflegesachleistungen), reduziert sich das ausgezahlte Pflegegeld oder entfällt. Pflegegeld wird also vor allem dann gezahlt, wenn Angehörige die Hauptlast der Pflege tragen.
Die wichtigsten Nachteile des Pflegegelds im Überblick
Pflegegeld deckt nur einen Teil der Kosten
Auch wenn das Pflegegeld eine willkommene finanzielle Hilfe darstellt, reicht es in der Praxis oft nicht aus, um alle anfallenden Pflegekosten zu decken. Die Beträge von 347 bis 990 Euro monatlich sind meist deutlich niedriger als die tatsächlichen Kosten, die durch eine umfassende Betreuung entstehen. Insbesondere bei höherem Pflegebedarf müssen Pflegebedürftige und ihre Familien einen beträchtlichen Teil der Kosten selbst tragen. Ausgaben für Pflegehilfsmittel, Medikamente, zusätzliche therapeutische Maßnahmen oder eine stundenweise professionelle Pflegehilfe gehen schnell über das hinaus, was das Pflegegeld abdeckt (BMG).
Einkommenseinbußen bei pflegenden Angehörigen
Ein Nachteil, der oft übersehen wird: Verdienstausfall der pflegenden Angehörigen. Wer Mutter oder Vater zuhause pflegt, kann häufig nur noch in Teilzeit arbeiten oder muss den Job ganz aufgeben. Die Folge sind schmerzhafte Einkommenseinbußen. Das Pflegegeld wird zwar an die pflegebedürftige Person gezahlt und kann an Angehörige weitergegeben werden, ersetzt aber kein Gehalt. Laut Ärzteblatt steigt damit das Risiko von Altersarmut für pflegende Angehörige deutlich. Zwar zahlt die Pflegekasse Beiträge zur Rentenversicherung, aber die Leistungen sind begrenzt und gleichen die Verluste nicht aus.
Grenzen bei Demenz und schwerer Pflegebedürftigkeit
Ein weiterer Nachteil zeigt sich besonders bei fortgeschrittener Demenz oder anderen schweren Erkrankungen. Die Betreuung erfordert enorm viel Zeit, Fachwissen und Präsenz, was Laien kaum leisten können. Das Pflegegeld reicht hier oft nicht aus, um die besonderen Bedürfnisse abzudecken. Zusätzliche professionelle Hilfe ist notwendig – was wiederum Mehrkosten verursacht. Familien müssen irgendwann einsehen, dass Pflegegeld allein keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung sicherstellt.
Häusliche Infrastruktur muss angepasst werden
Viele Wohnungen sind nicht barrierefrei. Pflegegerecht wohnen heißt: rutschfeste Böden, breite Türen, Treppenhilfen oder ein angepasstes Bad. Zwar gibt es Zuschüsse bis 4.000 € für Umbaumaßnahmen, doch reicht dieser Betrag oft nicht. Ohne zusätzliche Investitionen kann die häusliche Pflege erheblich erschwert oder unmöglich werden.
Hohe psychische und körperliche Belastung
Die Belastung der Angehörigen ist oft der größte Nachteil. Studien zeigen: Hauptpflegepersonen wenden durchschnittlich 49 Stunden pro Woche für die Pflege auf (AOK). Über 40 % klagen über Rückenschmerzen, mehr als die Hälfte über depressive Symptome. Ohne Entlastung droht Überforderung – bis hin zum Burnout. Pflegegeld allein ändert daran nichts.
Fehlende Pflegekompetenz
Angehörige sind meist keine ausgebildeten Pflegekräfte. Fehler bei Medikamentengabe, Wundversorgung oder Mobilisation sind möglich. Zwar bieten Pflegekassen kostenlose Schulungen an, doch diese sind kurz und ersetzen keine Fachpflege.
Bürokratie: Pflichtberatungen
Pflegegeld gibt es nicht ohne Bedingungen. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2–3 müssen halbjährlich, mit Pflegegrad 4–5 vierteljährlich einen Beratungseinsatz durch eine Fachkraft abrufen. Wer die Pflicht versäumt, riskiert Kürzungen oder Streichung des Pflegegelds (Allgäuer Zeitung).
Alternativen und Ergänzungen zum Pflegegeld
Da Pflegegeld allein selten reicht, empfiehlt sich eine Kombination mit weiteren Leistungen:
- Pflegesachleistungen: ambulante Pflegedienste übernehmen bestimmte Aufgaben, die Kasse zahlt direkt.
- Tages- und Nachtpflege: zeitweise Betreuung außerhalb der Wohnung, zusätzlich nutzbar.
- Verhinderungs- und Kurzzeitpflege: wenn Angehörige verhindert sind oder Erholung brauchen.
- Entlastungsbetrag: monatlich 125 €, z. B. für Haushaltshilfen oder Alltagsbegleiter.
- 24-Stunden-Pflege zuhause: Betreuungskräfte leben im Haushalt und entlasten Angehörige umfassend – eine Alternative zum Heim.
Fazit: Pflegegeld gut nutzen – aber Grenzen kennen
Das Pflegegeld ist eine wichtige Unterstützung, reicht jedoch selten allein aus. Wer die Nachteile kennt, kann bewusst gegensteuern: durch zusätzliche Leistungen, Beratung, Entlastung und ggf. die Organisation einer 24-Stunden-Pflege. So bleibt die Versorgung daheim tragfähig – und Angehörige werden nicht überlastet.